Forschende haben Mechanismus der fort­ge­schrit­te­nen trockenen AMD gefunden

In einem inter­na­ti­o­na­len For­schungs­ver­bund haben Forschende des Paul-Ehrlich-Instituts einen grundlegenden Mechanismus aufgeklärt, der für die Spätform der alters­be­ding­ten trockenen Makula­degeneration (AMD), der sogenannten geo­gra­phi­schen Atrophie, ver­ant­wort­lich ist. Damit gibt es nun einen viel­ver­spre­chen­den The­ra­pie­an­satz mit Arzneimitteln, die ursprünglich für Patienten mit HIV eingesetzt werden.

Über sieben Millionen, meist ältere Menschen in Deutschland leiden unter der alters­be­ding­ten trockenen Makula­degeneration (AMD). Bei der fort­ge­schrit­te­nen trockenen Form der AMD, der sogenannten geo­gra­phi­schen Atrophie, sterben die für die Sehfähigkeit essenziellen Zellen des retinalen Pig­men­te­pi­thels (RPE) ab.

Laut einer Pres­se­mit­tei­lung konnten nun Forschende des Paul-Ehrlich-Instituts in einem inter­na­ti­o­na­len For­schungs­ver­bund mit Wis­sen­schaft­lern in Virginia und Kalifornien den Mechanismus aufklären, der zu der späten Form der Erkrankung führt. So reichern sich, laut der Forschung, im Zytoplasma (Zellplasma genannt, das ist die organische Substanz innerhalb der Zelle) der RPE-Zellen die DNA sogenannter trans­po­nier­ba­rer Alu-Elemente an. Dies sind bewegliche DNA-Abschnitte, die sich im Genom individueller Zellen ausbreiten können. Die Anreicherung erfolge dadurch, dass ALU-RNA im Zytoplasma dieser Zellen durch bestimmte Enzyme der Wirtszelle in ALU-DNA umgeschrieben werden.

Diese angereicherte ALU-DNA wiederum schädige die Zellen so, dass sie schließlich absterben. Es gibt keine Hinweise, dass diese DNA in den Zellkern gelangt und dort das Zellgenom verändert. Es sei plausibel, so die Forschenden, dass es so zur geografischen Atrophie komme.

The­ra­pie­op­ti­o­nen durch bekannte Medikamente

Durch diese neue Erkenntnis kommen laut Pres­se­mit­tei­lung des Paul-Ehrlich-Instituts für an AMD erkrankte Patienten bekannte Medikamente als The­ra­pie­op­tion ins Blickfeld, die normalerweise zur Behandlung von HIV-Infektionen eingesetzt würden. Denn diese Arzneimittel, sogenannte Nukleo­si­di­sche-Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI), hemmten das Enzym, das RNA in DNA umschreibe und somit auch den bei der AMD ablaufenden Prozess.

Eine Auswertung von vier Datenbanken unter­schied­li­cher US-ame­ri­ka­ni­scher Kran­ken­ver­si­che­run­gen mit mehr als 100 Millionen Patienten, die über einem Zeitraum von 20 Jahren ein­ge­schlos­sen waren, untermauerten die Hoffnung auf eine The­ra­pie­mög­lich­keit: Innerhalb der Gruppe der mit diesen Hemmern (NRTI) behandelten Personen seien 40 Prozent weniger an trockener AMD erkrankt als Personen ohne NRTI-Behandlung. Erste klinische Prüfungen für NRTI bzw. ihrer als Kamuvudine bekannten Derivate soll bereits veranlasst sein.

Ori­gi­nal­pu­bli­ka­tion: Fukuda S, Varshney A, Fowler BJ, Wang S, Narendran S, Ambati K, Yasuma T, Magagnoli J, Leung H, Hirahara S, Nagasaka Y, Yasuma R, Apicella I, Pereira F, Makin RD, Magner E, Liu X, Sun J, Wang M, Baker K, Marion KM, Huang X, Baghdasaryan E, Ambati M, Ambati VL, Pandey A, Pandya L, Cummings T, Banerjee D, Huang P, Yerramothu P, Tolstonog GV, Held U, Erwin JA, Paquola ACM, Herdy JR, Ogura Y, Terasaki H, Oshika T, Darwish S, Singh R, Mozaffari S, Bhattarai D, Kim KY, Hardin JW, Bennett CL, Hinton DR, Hanson TE, Röver C, Parang K, Kerur N, Liu J, Werner BC, Sutton SC, Sadda SR, Schumann GG, Gelfand BD, Gage FH, Ambati J (2021): Cytoplasmic synthesis of endogenous Alu complementary DNA via reverse transcription and implications in age-related macular degeneration. PNAS 118: e2022751118.

Quellen: Redaktion PRO RETINA News

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