Wenn dem Auge Tränen fehlen

Neue Erkenntnisse ermöglichen individuell angepasste Therapien bei trockenem Auge

Das trockene Auge ist eine der häufigsten Augen­krank­heiten in Deutschland - Hoch­rech­nun­gen zufolge sind etwa 9 Millionen Menschen davon betroffen. Das Wissen um die Prozesse, die zu dieser Krankheit führen, wächst, und damit können Augenärzte ihren Patienten immer bessere, individuell angepasste Behandlungen anbieten. Prof. Dr. Gerd Geerling, Leiter des Ressorts "Trockenes Auge" im Berufsverband der Augenärzte Deutschlands, erläutert, wie sich das Verständnis dieser Krankheit in den vergangenen Jahren gewandelt hat.

Es fühlt sich an, als würden feine Sandkörner auf der Augen­o­ber­flä­che reiben. Die Augen brennen und sind gerötet, die Betroffenen reagieren empfindlich auf Licht: Das trockene Auge kann die Lebens­qua­li­tät der Betroffenen stark einschränken. Moderne Lebens­ge­wohn­hei­ten tragen dazu bei, dass immer mehr Menschen das Gefühl trockener, gereizter Augen kennen. Bei der Arbeit am Computer oder dem Blick auf Mobiltelefon, Tablet & Co blinzelt man seltener. Der Tränenfilm wird nicht mehr regelmäßig auf der Augen­o­ber­flä­che verteilt und reißt auf. Der Aufenthalt in kli­ma­ti­sier­ten Räumen, die Ernährung, Medi­ka­men­ten­ein­nahme und Rauchen können weitere Faktoren sein, die zur Entstehung der Krankheit beitragen, zudem tritt sie bei älteren Menschen häufiger auf als bei jungen Leuten.

Definition des trockenen Auges

Das Verständnis für die krankhaften Vorgänge an der Augen­o­ber­flä­che hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Sprachen Augenärzte vor 30 Jahren, als die erste Definition des trockenen Auges formuliert wurde, noch von einer "Störung des Tränenfilms", so setzte sich vor gut zehn Jahren die Erkenntnis durch, dass es sich bei der "Kera­to­con­junc­ti­vi­tis Sicca" um eine Krankheit handelt. Vor Kurzem hat ein international besetztes Gremium, in dem 23 Länder vertreten sind, eine neue Definition erarbeitet (TFOS, Tear Film & Ocular Surface Society, Dry Eye Workshop II). Heute verstehen Augenärzte das trockene Auge als eine mul­ti­fak­to­ri­elle Erkrankung der Augen­o­ber­flä­che.

Der Tränenfilm besteht aus mehreren Schichten: Zum Auge hin sorgt eine Muzinschicht (Schleim­schicht) dafür, dass der Tränenfilm an der Hornhaut haftet. Sie geht über in die wässrige Schicht, die neben Wasser Nährstoffe, Sauerstoff und keimtötende Substanzen enthält. Ganz wesentlich für die Stabilität des Tränenfilms ist die darüber liegende ölige Schicht, die Lipidschicht. Sie verhindert, dass die Trä­nen­flüs­sig­keit zu rasch verdunstet.

Die Zusam­men­set­zung des Tränenfilms gerät beim trockenen Auge aus dem Gleichgewicht, wobei es zwei wichtige Unterformen gibt: Bei der hypovolämen Form werden zu wenige Tränen produziert, bei der evaporativen Form verdunsten die Tränen besonders schnell, so dass der Tränenfilm instabil wird. Nur etwa jeder zehnte Betroffene leidet alleine unter einem Tränenmangel, bei den weitaus meisten Menschen liegt eine Mischform aus zu geringer Produktion und instabilem Tränenfilm vor oder die evaporative Form steht im Vordergrund. Eine Entzündung und Schädigung der Augen­o­ber­flä­che kann die Folge sein und auch die Nerven in der Hornhaut können beein­träch­tigt werden, was zu neu­r­o­pa­thi­schen Schmerzen führt.

Mit dem richtigen Verhalten die Augen­o­ber­flä­che schonen

So vielschichtig die krankhaften Prozesse beim trockenen Auge sind, so viele Ansatzpunkte bieten sie auch für die Therapie. Mit dem richtigen Verhalten kann man die Augen­o­ber­flä­che schonen: Spaziergänge an der frischen Luft und viel trinken tragen dazu bei; bei der Com­pu­ter­a­r­beit sollte man immer wieder mal bewusst blinzeln und wer im Auto unterwegs ist, sollte die Luft­zir­ku­la­tion drosseln und den Luftstrom nicht direkt auf die Augen richten.

Bei andauernden Beschwerden sollte man aber eine Auge­n­a­rzt­pra­xis aufsuchen. Hier lässt sich klären, ob genügend Trä­nen­flüs­sig­keit gebildet wird, wie lange der Tränenfilm stabil ist und ob die Augen­o­ber­flä­che entzündet ist.

Spektrum der Behand­lungs­mög­lich­keiten wird breiter

Bei der Therapie kommen zunächst Trä­ne­n­er­satz­mit­tel zum Einsatz, die den Tränenfilm stabilisieren, die Reizung lindern und die Lebens­qua­li­tät steigern. Ob Augentropfen, Gel oder Spray – die Vielfalt dieser Trä­ne­n­er­satz­mit­tel ist groß. Daneben gibt es Medikamente, die eine Entzündung der Augen­o­ber­flä­che wirksam behandeln. Auch neue Behand­lungs­mög­lich­keiten werden erforscht. So sollen so genannte Sekretagoga die Trä­nen­pro­duk­tion anregen; in klinischen Studien werden zudem Medikamente gegen neu­r­o­pa­thi­sche Schmerzen erforscht. Eine weitere Maßnahme kann die Pflege der Lidkanten sein, um eine Entzündung der Meibom-Drüsen, die den wichtigen öligen Bestandteil des Tränenfilms liefern, zu behandeln.

Quelle: Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e. V.

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