Das Netzhaut-Implantat „PRIMA“ für AMD wurde im Rahmen einer Studie erstmals eingesetzt

Ein neuartiger Netzhautchip des fran­zö­si­schen Herstellers Pixium Vision soll Patienten mit alters­abhän­giger Makula­degeneration (AMD) einen Teil ihrer Sehkraft zurückgeben. Erstmals in Deutschland wurde das bionische Netzhaut-Implantat namens „Prima“ nun an der Augenklinik Sulzbach am Knapp­schafts­kli­ni­kum Saar erfolgreich eingesetzt. Die Implantation gelang bei gleich zwei Patienten und wurde im Rahmen der europäischen „PRIMAvera“-Zulas­sungs­stu­die durchgeführt. Das heißt, noch steht der Chip nicht für reguläre Patienten zur Verfügung. Aber wenn diese Zulas­sungs­stu­die erfolgreich abgeschlossen ist, kann der Chip in Zukunft die Behandlung von bestimmten AMD-Patienten ermöglichen.

Bei der AMD beginnt der Verlust der Sehzellen im Bereich der Stelle des schärfsten Sehens auf der Netzhaut, genannt Makula. Die sogenannte trockene AMD ist dabei die häufigste Form und sie ist gleichzeitig die häufigste Erblind­ungs­ursache in Deutschland. Über eine Million Menschen sind hierzulande betroffen. Bisher gibt es dafür noch keine Therapie. Genau hier setzt der neue Chip von Pixium an.

Chefarzt Prof. Dr. Peter Szurman, der beide Operationen durchgeführt hat, zeigt sich sehr zufrieden: „Dieses Netzhaut-Implantat ist nach meiner Einschätzung eine echte Innovation für Patienten, die aufgrund einer bisher unheilbaren trockenen Makula­degeneration erkrankt sind. Erstmals haben wir die Hoffnung, mit diesem bionischen Chip die zentrale Sehschärfe zu verbessern und den Betroffenen somit ein unab­hän­gi­ge­res Leben zu ermöglichen.“

PD Dr. Boris Stanzel, Leiter des klinischen Stu­di­en­zen­trums und des Maku­la­zen­trums an der Augenklinik Sulzbach, überwacht den Verlauf der Zulas­sungs­stu­die und leitet das Reha­bi­li­ta­ti­ons­trai­ning der Patienten: „Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse nach Abschluss der Zulas­sungs­stu­die.

Denn mit dem PRIMA-System haben wir erstmals eine Methode in der klinischen Prüfung, bei der wir von einer echten Seh­ver­bes­se­rung ausgehen. Bisherige Therapien zielten lediglich darauf ab, den schick­sal­haf­ten Verlauf der trockenen AMD zu verzögern“, so Stanzel.

Zulas­sungs­stu­die an sechs deutschen Zentren

In der nun gestarteten europäischen mul­ti­zen­tri­schen „PRIMAvera“-Studie soll die Sicherheit und Wirksamkeit des neuen Netzhautchips gezeigt werden, bevor das Medi­zin­pro­dukt die Zulassung für den europäischen Markt erhält.

Nach Sulzbach nehmen noch fünf weitere deutsche Zentren (Bonn, Hamburg, München, Ludwigshafen und Tübingen) an der Studie teil. Insgesamt sollen 38 Stu­di­en­pa­ti­en­ten ein­ge­schlos­sen und nach der OP drei Jahre lang beobachtet werden.

Prof. Dr. Frank Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn, verantwortet die wis­sen­schaft­li­che Koordination der Studie und ist selbst als Chirurg beteiligt. Er erklärt dazu: „Wir freuen uns, dass die PRIMAvera-Zulas­sungs­stu­die mit den ersten beiden erfolgreich operierten Patienten im Stu­di­en­zen­trum Sulzbach gute Fortschritte macht. Das bionische Prima-System könnte die Lebens­qua­li­tät der Patienten tatsächlich verbessern. Wir sehen der weiteren Evaluierung des Prima-System in der PRIMAvera-Studie entgegen."

Funk­ti­ons­weise des Chips

Der Pixium-Chip wird unter der Netzhaut im Bereich der Makula, der Stelle des schärfsten Sehens, implantiert. Diese Stelle ist bei den Patienten aufgrund ihrer sogenannten geo­gra­phi­schen Atrophie, einer Folge fort­geschritt­ener trockener AMD, fast völlig erblindet. Der Chip übernimmt die Funktion der abgestorbenen licht­emp­find­li­chen Sehzellen (Pho­to­re­zep­to­ren). Von einer Spezialbrille mit eingebauter Mikrokamera, die der Patient trägt, erhält der Chip per Infra­rot­pro­jek­tion Bildsignale und Energie. Mit elektrischen Impulsen stimuliert der Chip nun die verbliebenen Nervenzellen der Netzhaut und überträgt somit die Bild­in­for­ma­tion auf den Sehnerv.

Der bionische Chip hat eine Fläche von zwei mal zwei Millimetern, was auf der Netzhaut einem Sehwinkel von sieben Grad entspricht. Die Auflösung umfasst 378 Pixel. In der Praxis könnte der Chip bis hin zu Lese­fä­hig­keit von mittelgroßen Buchstaben führen. PD Dr. Stanzel betont die Wichtigkeit des Reha­bi­li­ta­ti­ons­trai­nings: „Wir trainieren unsere Patienten nach der Operation, weil sie das bionische Sehen erst erlernen müssen. Wie der tatsächliche Seh­kraft­ge­winn ausfällt, werden wir erst nach Abschluss der Zulas­sungs­stu­die wissen.“

Pixium-Chip - Warum Erstim­plan­ta­tion in Sulzbach?

Die Vor­rei­ter­rolle der Augenklinik Sulzbach bei dieser innovativen Therapie der Makula­degeneration hat mehrere Gründe: Zum einen ist die Augenklinik Sulzbach mit weit über 2.200 großen Netzhaut-Glaskörper-Operationen im Jahr Deutschlands größtes Zentrum für Netz­haut­chir­ur­gie. Darüber hinaus gehört das Makulazentrum der Augenklinik mit jährlich 11.000 Behandlungen zu den bedeutendsten Behand­lungs­zen­tren für die AMD-Erkrankung. Wichtiger für den aktuellen Erfolg ist aber die sogenannte SuGAR-AMD Studie, ein Sulzbacher Forschungs­projekt zur Entwicklung einer stamm­zell­ba­sier­ten AMD-Therapie. Dafür wurden bereits mehrere Hundert Stu­dien­teil­neh­mer aus ganz Deutschland ein­ge­schlos­sen und sind in ihrem Krank­heits­ver­lauf gut dokumentiert. „Unter diesen Teilnehmern war es jetzt ein Leichtes, geeignete Kandidaten für die PRIMAvera-Studie zu finden“, so Stanzel, der die SuGAR-AMD Studie leitet.

Darüber hinaus ist die Erforschung von elek­tro­ni­schen Sehprothesen ein wichtiger For­schungs­schwer­punkt von Prof. Szurman. Seit 1996 ist er an den wesentlichen deutschen Forschungs­projekten zum bionischen Sehen beteiligt und hat umfangreiche Erfahrung mit der Implantation von verschiedenen elek­tro­ni­schen Netzhaut-Chips bei erblichen Netz­haut­erkrankungen. „Seit 25 Jahren versuchen wir mit der Entwicklung von bionischen Netzhaut-Chips den Traum jedes Augenarztes zu verwirklichen, Blinde wieder sehend zu machen. Mit hochmodernen Netzhaut-Implantaten kommt die moderne Augenmedizin diesem Traum jetzt ein Stück näher“, so Szurman. Aktuell wird ein Forschungs­projekt der Augenklinik Sulzbach zur Entwicklung eines Weitwinkel-Retina Implantats für erbliche Netz­haut­degenera­tion vom Bun­des­mi­nis­te­rium für Forschung (BMBF) gefördert.

Quelle: PRO RETINA News, Redaktion Wolfgang Schmidt

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