Diabetes-Medikament könnte The­ra­pie­op­tion darstellen

Analysen US-ame­ri­ka­ni­scher Forscher haben ergeben, dass Metformin ein viel­ver­spre­chen­der Kandidat zur Behandlung der alters­be­ding­ten Makula­degeneration (AMD) sein könnte.

AMD ist eine der häufigsten Ursachen für den Verlust des Sehvermögens bei Erwachsenen über 50 Jahre. Da die AMD eng mit dem Alte­rungs­pro­zess zusam­men­hängt, haben einige Forscher ihr Augenmerk auf Metformin gerichtet. Dieses Medikament, ist für die Behandlung von Typ-2-Diabetes bekannt und liefert viel­ver­spre­chende Daten im Hinblick auf seine allgemeine Anti-Aging-Wirkung. Einige Studien haben gezeigt, dass Diabetiker, die Metformin einnehmen, im Vergleich zu Nicht-Diabetikern oder Diabetikern, die kein Metformin einnehmen, seltener an alters­be­ding­ten Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und kognitivem Abbau leiden. Diese Ergebnisse haben die Forscher zu der Hypothese veranlasst, dass Metformin über die Behandlung von Diabetes hinaus Vorteile bieten könnte.

Dr. Dimitra Skondra, Professorin für Augen­heil­kunde und Seh­wis­sen­schaf­ten an der University of Chicago, USA, ist Netz­haut­spe­zi­a­lis­tin und Forscherin, die sich auf die Entwicklung und das Fortschreiten von Netz­haut­erkrankungen konzentriert. Laut Skondra sei Metformin ein idealer Kandidat für die Behandlung der AMD. „Man braucht etwas Nichtin­va­si­ves und Sicheres, das man in den frühen Stadien der Krankheit einsetzen kann. Hier würde Metformin perfekt passen, denn es ist bereits von der FDA zugelassen. Es gibt dieses Medikament seit 30-40 Jahren und es hat ein sehr gutes Sicher­heits­pro­fil. Es gibt viele Hinweise darauf, dass es auch in anderen Bereichen des Alte­rungs­pro­zesses hilfreich sein könnte“, wie Skondra erörtert.

Metformin senkt AMD-Risiko

In den letzten Jahren hat Skondra eine Reihe von Studien ver­öf­fent­licht, die stark darauf hindeuten, dass Metformin bei der Behandlung von AMD viel­ver­spre­chend ist. Im Jahr 2021 analysierten sie und ihre Kollegen eine landesweite Datenbank mit Kran­ken­ver­si­che­rungs­ansprü­chen. Die Wis­sen­schaft­ler verglichen Patienten über 55 Jahre mit neu dia­gnos­ti­zier­ter AMD über einen Zeitraum von 10 Jahren mit Kon­troll­per­so­nen ohne AMD. Die in der Fach­zeit­schrift „JAMA Ophthalmology“ ver­öf­fent­lichten Ergebnisse zeigten, dass Patienten, die Metformin einnahmen, eine geringere Wahr­schein­lich­keit hatten, an AMD zu erkranken.

Eine zweite Studie von Skondra aus dem Jahr 2023 in „JAMA Ophthalmology“ ergab, dass Metformin auch wenn es zur Behandlung von Prädiabetes und poly­zys­ti­schem Ovarsyndrom eingesetzt wurde, das Risiko für feuchte und trockene AMD senkte. Dabei schien die schützende Wirkung stärker zu sein als bei Menschen mit Diabetes. Anfang dieses Jahres ver­öf­fent­lichte Skondras Team eine dritte Studie in der Zeitschrift „Retina“. Aus dieser ging ebenfalls hervor, dass Metformin das Risiko für die Entwicklung einer neu auftretenden feuchten AMD verringert, insbesondere bei Patienten ohne diabetische Retinopathie.

Des Weiteren führten Skondra und ihr Team eine weitere Analyse zur Wirkung von Metformin auf die Geographische Atrophie (GA) durch. Hierfür überprüften sie weitere Daten zu medizinischen Leistungen und suchten nach Patienten mit neu dia­gnos­ti­zier­ter GA. Die Wis­sen­schaft­ler konnten bestätigen, dass Metformin die Wahr­schein­lich­keit einer GA um 47 Prozent senkte. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden in der Fach­zeit­schrift „Investigative Ophthalmology & Visual Science (IOVS)“ ver­öf­fent­licht.

Metformin beeinflusst Alte­rungs­pro­zesse

Wie genau Metformin vor AMD schützt, sei jedoch nicht klar. Angesichts der allgemeinen Wirkung gegen alters­be­dingte Krankheiten sei es jedoch wahr­schein­lich, dass es auf verschiedene Weise wirkt. Präklinische Studien an Tieren haben gezeigt, dass Metformin die Gesundheit verbessern kann, indem es zelluläre Prozesse beeinflusst, die mit dem Alte­rungs­pro­zess in Verbindung stehen, wie zum Beispiel die Verringerung von oxidativem Stress, die Verbesserung der mit­ochon­dri­a­len Funktion und die Modulation von Entzündungen. „Ich denke, deshalb ist es unsere beste Chance, eine sehr komplexe Krankheit zu stoppen“, betont Skondra. „Es greift das Problem auf mehreren Wegen an und gibt uns eine bessere Chance, es tatsächlich zu verlangsamen.“

Eine besonders faszinierende Möglichkeit ist, dass Metformin durch eine Veränderung des Darm­mi­kro­bioms wirkt. Skondra hat auch in dieser Richtung gearbeitet und letztes Jahr eine weitere Arbeit in „iOVS“ ver­öf­fent­licht. Hier beschreibt sie, wie Metformin mit dem Darmmikrobiom von Mausmodellen für AMD interagiert. In dieser Studie verabreichte ihr Team Mäusen Metformin und induzierte dann AMD-Läsionen. Diese Mäuse zeigten eine geringere Größe der Läsionen und eine verringerte Expression von Genen, die mit Entzündungen und der Bildung neuer Gefäße in Zusammenhang stehen. Die Mäuse hatten auch ein insgesamt gesünderes Darmmikrobiom, mit mehr Bak­te­ri­en­stäm­men, die mit guter Gesundheit in Verbindung gebracht werden, und einem höheren Gehalt an gesunden kurzkettigen Fettsäuren wie Butyrat.

Um zu zeigen, dass diese Wirkungen tatsächlich durch das Mikrobiom vermittelt werden, behandelte Skondras Team auch keimfreie Mäuse (GF-Mäuse) mit Metformin. Zudem besiedelten sie mehr GF-Mäuse mit Mikrobiota von behandelten Tieren mit einem normalen Mikrobiom. Metformin allein verringerte die Größe der AMD-Läsionen in den GF-Mäusen nicht, aber wenn es zusammen mit Mikroben über fäkale Transplantate verpflanzt wurde, hatte es die gleiche schützende Wirkung wie bei normalen Mäusen, die das Medikament erhielten.

Laut Skondra sind all diese Daten Beweis genug, um prospektive Studien am Menschen zu rechtfertigen. Hierbei könnten Probanden über 55 Jahre – mit und ohne Diabetes – Metformin erhalten, um zu sehen, ob es AMD verhindert, insbesondere fort­ge­schrittene Formen von GA und feuchter AMD, die trotz monatlicher Injektionen mit Sehverlust und Blindheit einhergehen. Angesichts der zunehmenden Zahl von Risi­ko­pa­ti­en­ten könnte der Einsatz einer so bekannten und sicheren Behandlung enorme Auswirkungen haben. „Diese Menschen sind in der Regel erst seit kurzem im Ruhestand und haben endlich die Chance, ihr Leben zu genießen, aber sobald sie ein fort­ge­schrittenes Stadium der AMD erreichen, ist ihre Lebens­qua­li­tät zerstört“, erklärt sie und fügt abschließend hinzu: „Meine Kollegen in der Medizin haben großartige Arbeit geleistet, um den Menschen ein längeres Leben bis in die 80er oder 90er Jahre zu ermöglichen, aber leider bedeutet das, dass mehr Menschen an AMD erkranken werden. Ich denke, das ist sehr aufregend, und wir können einen großen Unterschied machen.“

Quelle: biemann-medizin.de

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