Dis­kri­mi­nie­rung von seh­be­hin­der­ten und blinden Menschen ist vielfältig

Am 1. März ist Zero Dis­cri­mi­na­tion Day. In diesem Jahr hat PRO RETINA eine Umfrage unter den Mitgliedern durchgeführt, in deren Verlauf zahlreiche Befragte ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Dis­kri­mi­nie­rung schilderten. Her­aus­ge­kom­men ist eine Sammlung viel­schich­ti­ger und oft intimer Einblicke aus allen Bereichen des Lebens, die verdeutlichen: Dis­kri­mi­nie­rung findet überall statt.

Probleme mit Dis­kri­mi­nie­rung erleben sehbehinderte und blinde Betroffene vor allem in Ver­kehrs­mit­teln. So schildert die Kundin einer großen Flug­ge­sell­schaft: „Ich hatte die Flug­be­glei­te­rin beim Einsteigen gefragt, ob sie mir sagen kann, wo sich mein Platz befindet, da ich die kleinen Zahlen schlecht lesen kann. Sie sagte: ‚Die stehen da oben!‘ Als ich dann später am Platz mit meiner Lupe eine Zeitschrift las und sie das sah, rief sie empört vor allen Passagieren: ‚Sie können ja doch lesen!‘

Erheblicher Sen­si­bi­li­sie­rungs­be­darf

Auch bei Behör­den­gän­gen oder der Jobsuche sehen die Befragten sich Benach­tei­li­gun­gen ausgesetzt. So äußerte ein Angestellter der Agentur für Arbeit gegenüber einer Arbeits­su­chen­den, die ihre Seh­be­hin­de­rung zum Thema machte, die Vermutung: „Sie sind nur zu faul zu arbeiten!‘“ 2018 ergab ein interner Revi­si­ons­be­richt der Agentur für Arbeit, dass bei Angestellten der Jobcenter erhebliche Sen­si­bi­li­sie­rungs­be­darf im Umgang mit Schwer­behinderten bestehe.

Doch auch beim Kontakt mit der eigenen Krankenkasse sehen sich Befragte Dis­kri­mi­nie­rungen ausgesetzt. Eine Betroffene, die sich nach einer Behand­lungs­mög­lich­keit für ihre Auge­n­er­kran­kung erkundigte, beschrieb die Reaktion des zuständigen Sach­be­a­r­bei­ters so: „Er sagte zu mir, was ich für ein Problem hätte ich könnte doch mit einer Blindheit leben. Ich war sprachlos und hab aufgelegt, anschließend nur noch geweint.“

„Keiner kann durch meine Augen sehen.“

Lina Maria Kotschedoff ist Preis­trä­ge­rin des German Diversity Award in der Kategorie Disability. Die Business Coachin ist aktives Mitglied bei PRO RETINA und verrät: „Vorurteile hinsichtlich meiner starken Seh­be­hin­de­rung begleiten mich, seitdem ich die Diagnose Zapfen-Stäbchen-Dystrophie vor fast 30Jahren bekommen habe. Es ist in den wenigsten Fällen eine „echte“ Dis­kri­mi­nie­rung, sondern Unsicherheit aufgrund von Unwissenheit. Meine Mutter sagte mir bereits früh, dass ich die Verantwortung dafür trage, meinen Mitmenschen zu sagen, wie ich die Welt sehe, was ich brauche und wie sie mir helfen können. Denn keiner kann durch meine Augen sehen. Ich sehe vielleicht nur knapp 5 Prozent, nehme aber 1000 Prozent meiner Umwelt wahr. Ich animiere Menschen zum Fragen, nehme ihnen mit meiner offenen Art die Angst vor dem Unbekannten. Jeder Mensch, der mit mir in den Dialog tritt, ist ein Mensch, der die Welt danach mit anderen Augen sieht.“

Fortschritte nimmt auch Elke Lehning-Fricke vom Arbeitskreis Mobilität der PRO RETINA Deutschland wahr: „Beinahe glücklich erschrocken bin ich, wenn mein Kampf um gesell­schaft­li­che Teilhabe durch Verbesserung unserer Mobilität immer mehr offene Ohren findet. Es entschuldigen sich die anderen, wenn ich an einem grau-in-grau Design ohne Ori­en­tie­rungs­mög­lich­kei­ten aufgrund des fehlenden visuellen Kontrasts scheitere!“

PRO RETINA Mitglieder machen oft die Erfahrung, dass das Umfeld nicht weiß, was eine Seh­be­hin­de­rung überhaupt ist und was es im Alltag bedeutet, damit zu leben. „Hier ist noch jede Menge Auf­klä­rungs­a­r­beit zu leisten, um Miss­ver­ständ­nisse aber auch Dis­kri­mi­nie­rung zu vermeiden“, sagt Markus Georg, Geschäfts­füh­rer von PRO RETINA. Sämtliche Erfah­rungs­be­richte zum Zero-Dis­cri­mi­na­tion-Day stellt PRO RETINA auf seinen Social-Media-Kanälen unter https://de-de.facebook.com/proretina und https://www.instagram.com/durchblicke/?hl=de zur Verfügung.

Quelle: PRO RETINA

 

Datum