Für Patienten mit alters­be­ding­ter Makula­degeneration (AMD) im Spätstadium gibt es jetzt eine neue Behand­lungs­op­tion.

Ein im Auge fast unsichtbares, winziges Galilei-Teleskop-Implantat soll die Sehschärfe und Lebens­qua­li­tät von Patienten mit alters­be­ding­ter Makula­degeneration im Spätstadium verbessern.

Anfang 2022 hat das Deutsche Institut für Kran­ken­haus­ver­gü­tung (InEK) dem SING IMT™ (smaller-incision new-generation implantable miniatur telescope) den NUB (Neue Untersuchungs- und Behand­lungs­methoden) Erstat­tungs­sta­tus 1 vergeben. Es handelt sich um ein implan­tier­ba­res Minia­tur­te­le­skop, das die Sicht auf nahe und ferne Objekte verbessern kann. Es vergrößert die Bilder, die Patienten sehen – wie beim Zoomen mit einer Kamera – und projiziert sie auf den gesunden, unbe­schä­dig­ten Teil des Auges. Dadurch wird der „blinde Fleck“ reduziert, sodass Patienten Bilder sehen können, die zuvor nicht erkennbar waren. Das aus hochpräziser Mikrooptik bestehende SING IMT wird bei einer gewöhnlichen ambulanten Kata­rak­t­ope­ra­tion implantiert.

Bevor sie das SING IMT erhalten, müssen Patienten die möglichen und realistischen Ergebnisse nach der OP kennen und sich verpflichten, mit ihrem augen­me­di­zi­ni­schen Team zusam­men­zu­a­r­bei­ten, um Sehtechniken und Übungen durch­zu­füh­ren, mit denen die Wirksamkeit des SING IMT maximiert werden kann. Nachdem sie sich von der Operation erholt haben, arbeiten die Patienten eng mit einem Low-Vision-Spezialisten wie Orthoptist oder Reha­bi­li­ta­ti­ons­leh­rer zusammen, um zu lernen, ihr wie­der­er­lang­tes Sehvermögen anzuwenden.

Das Implantat stellt keine Heilung für alters­be­dingte Makula­degeneration (AMD) im Spätstadium dar. Es wird die Sehkraft nicht auf das Niveau zurück­brin­gen, das der Patient vor der AMD hatte, noch wird es den Sehverlust vollständig ausgleichen.

Das SING IMT™ ist zugelassen für Personen mit alters­be­ding­ter Makula­degeneration (AMD) im Spätstadium, die über 55 Jahre alt sind. Um für die Behandlung in Frage kommen zu können, müssen die Patienten bestimmte Anforderungen an Alter, Sehkraft, Horn­haut­ge­sund­heit etc. erfüllen (siehe unten).

Die häufigsten Risiken bei der SING IMT-Implantation umfassen entzündliche Ablagerungen, Ausfälle auf dem Gerät sowie erhöhten Augen­i­n­nen­druck. Zu den wesentlichen uner­wünsch­ten Ereignissen gehören (die Sehkraft beein­träch­ti­gende) Horn­haut­ödeme, eine Horn­haut­trans­plan­ta­tion und eine Abnahme der Sehschärfe. Es besteht das Risiko, dass der Eingriff die Sehkraft eher ver­schlech­tert als verbessert. Die individuellen Ergebnisse können voneinander abweichen.

Eig­nungs­kri­te­rien für das SING IMT™:

  • Irreversible AMD im Spätstadium
  • Tiefe der vorderen Kammer beträgt ≥ 2,5 mm
  • Erfüllung der Anforderungen an Alter, Sehkraft und Horn­haut­ge­sund­heit

• 55 Jahre oder älter mit Katarakt
• Angemessenes peripheres Sichtfeld in dem Auge, das kein Implantat erhält
• Beidseitige geographische Atrophie oder disziforme Narbe mit Einbeziehung der Sehgrube (Fovea centralis)
• BCVA (Fernbereich) 20/80 bis 20/800 beidseitig
• Verbesserung von mindestens fünf Buchstaben auf der ETDRS-Tafel in dem für den Eingriff vorgesehenen Auge
    mithilfe eines externen Tele­skop­si­mu­la­tors

Die Kon­tra­in­di­ka­ti­o­nen des SING IMT™-Implantat:

  • Vorliegen oder Behandlung einer aktiven CNV (im letzten halben Jahr)
  • Vorgeschichte mit anderen retinalen oder Retina-vaskulären Erkrankungen
  • Myopie > 6,0 D oder Hyperopie > 4,0 D für den Eingriff am vorgesehenen Auge
  • Ste­ro­idre­spon­si­ver Anstieg des IOP
  • Unkon­trol­lier­tes Glaukom oder IOP > 22 mmHg
  • Dystrophien des Horn­hautstro­mas oder Horn­hau­tendo­thels, ein­schließ­lich Cornea Guttata

Derzeit wird das implan­tier­bare Minia­tur­te­le­skop in sechs europäischen Ländern implantiert. In Deutschland können Patienten in folgenden Kliniken hierzu beraten und behandelt werden:

  • Universitäts Klinikum Heidelberg (Prof. Dr. med. Gerd U. Auffarth)
  • Städtisches Kilinikum Karlsruhe (Prof. Dr. Albert J. Augustin)
  • Augenklinik Sulzbach (PD Dr. med. Boris V. Stanzel, Dr. med. Karl Thomas Boden)
  • Klinik für Augen­heil­kunde Marburg (Prof. Dr. med. Walter Sekundo)
  • Vivantes Netzwerk für Gesundheit Berlin (Prof. Dr. med. Sabine Aisenbrey)
  • Klinik für Augen­heil­kunde Lübeck (Dr. med. Armin Mir Mohi Sefat)
  • Klinik für Augen­heil­kunde des Carl-Thiem-Klinikums Cottbus (Prof. Dr. med. Helmut Sachs)
  • Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Ulm (Dr. med. Adnan Kilani, FEBO)
  • Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Aachen (Prof. Dr. med. Peter Walter)

Weitere Informationen finden Sie auch unter: Samsara Vision

Autor:
PD Dr. med. Boris V. Stanzel Oberarzt, Sek­ti­ons­lei­tung Makulazentrum Saar,
Leiter Klinisches Stu­di­en­zen­trum Augenklinik Sulzbach/Saar, Knapp­schafts­kli­ni­kum Saar, Akademisches Lehr­kran­ken­haus der Universität des Saarlandes

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