OCT als Kassenleistung – jedoch mit Einschränkungen!
Bonn - Die Untersuchung mittels optischer Kohärenztomografie (OCT) zur Diagnostik und Steuerung der intravitrealen Injektionsbehandlung (IVM) bei feuchter altersabhängiger Makula-Degeneration (AMD) und beim diabetischen Makulaödem (DMÖ) ist seit 1. Oktober 2019 eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen. Der Bewertungsausschuss, der sich aus Vertretern der Kassenärzte und der Krankenkassen zusammensetzt, hat jetzt hierfür entsprechende Gebührenziffern im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) festgelegt. Hiermit tritt ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom Dezember 2018 in Kraft. „Die praktische Umsetzung dieser aus der Sicht betroffener Patientinnen und Patienten längst überfälligen Regelung wird von uns sehr begrüßt“, sagt Franz Badura, Vorsitzender der Patientenvereinigung PRO RETINA Deutschland.
Für welche Patienten ist diese Entscheidung von Bedeutung?
Patientinnen und Patienten, bei denen wegen einer feuchten AMD oder eines diabetischen Makulaödems eine Spritzenbehandlung in den Glaskörper des Auges (intravitreale Medikamenteneingabe = IVM) durchgeführt wird, mussten bisher die OCT-Untersuchungen selbst bezahlen, sofern diese Spritzenbehandlung nicht im Rahmen spezieller Selektivverträge (auch IVM-Verträge genannt) der jeweiligen Krankenkassen mit den Augenärzten erfolgte.
Nach Inkrafttreten des Beschlusses werden die Kosten für die OCT für diese Patientengruppe nun regelhaft auch außerhalb der genannten Selektivverträge von allen gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
PRO RETINA begrüßt es in diesem Zusammenhang, dass der Bewertungsausschuss dabei einen direkten Arzt-Patientenkontakt (zum Beispiel zur Erläuterung der OCT-Befunde) sowie die Untersuchung mittels sd-OCT (oder technischer Weiter-entwicklungen) als obligate Leistungsinhalte formuliert hat.
Offene Fragen – nicht zu Lasten von Patienten
Dennoch gibt es aus Sicht von PRO RETINA noch einige offene Fragen und potenzielle Fallstricke, deren Lösung im Versorgungsalltag nicht zu Lasten der zumeist älteren und multimorbiden Patientinnen und Patienten gehen darf.
So bleibt es für Patientinnen und Patienten unverständlich, warum die OCT-Untersuchung bei anderen Augenerkrankungen, die ebenfalls eine IVM erfordern, weiterhin keine Regelleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist. Dies betrifft beispielsweise Diagnosen wie retinale Venenverschlüsse, Gefäßneubildungen bei pathologischer Kurzsichtigkeit, vitreomakuläres Traktionssyndrom (Zugkräfte auf die Makula durch unvollständige Abhebung des Glaskörpers) oder andere Erkrankungen, für die es zugelassene Arzneimittel für eine intravitreale Verabreichung gibt.
All diese Patientinnen und Patienten haben weiterhin keinen Rechtsanspruch auf Kostenübernahme für die OCT-Untersuchung durch die Krankenkassen. Wenn bei ihnen die Spritzenbehandlung nicht im Rahmen der genannten IVM-Einzelverträge erfolgt, müssen die Kosten für die OCT von den Patientinnen und Patienten selbst getragen oder können allenfalls über den Weg einer Einzelfallentscheidung von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden.
Auch die erste, erst jüngst zugelassene Gentherapie am Auge für eine seltene Form einer erblichen Netzhautdystrophie erfordert nach übereinstimmender Expertenmeinung die Untersuchung mittels OCT, um beispielsweise das Vorhandensein noch ausreichend lebensfähiger Netzhautzellen als Voraussetzung für die Anwendung dieser für Patienten eingreifenden und für Krankenkassen kostspieligen Behandlung zu erfassen und den Therapieerfolg zu überwachen.
Außerdem kann die OCT-Untersuchung nicht am selben Tag abgerechnet werden, an dem auch die intravitreale Injektionsbehandlung stattfindet. Dies stellt zwar eine im EBM-System gängige Regelung dar, würde aber für viele Patientinnen und Patienten vor allem – aber nicht nur – im Rahmen eines sogenannten „Treat and Extend“-Therapieregimes bedeuten, dass für sie regelhaft zusätzliche Arzttermine anfallen müssten.
„Dies ist gerade für Betroffene in ländlichen beziehungsweise strukturschwachen Regionen in der Regel mit hohem Mehraufwand verbunden“, betont Badura. PRO RETINA sieht dadurch bei diesen chronischen Augenerkrankungen letztlich die Gefahr einer Untertherapie, zumal die Dokumentationsprüfungen im Rahmen der Vereinbarungen zur Qualitätssicherung zwar geeignet sind, die Gefahr von Überbehandlungen zu vermindern, nicht aber Untertherapien zu erfassen.
PRO RETINA fordert daher Leistungserbringer und Krankenkassen als Träger der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, aber auch die politisch Verantwortlichen auf, dafür Sorge zu tragen, dass solche und gegebenenfalls weitere im Versorgungsalltag möglicherweise auftretenden Defizite nicht zu Lasten betroffener Patientinnen und Patienten gehen.
Quelle: PRO RETINA Deutschand e. V., Pressereferentin Ines Nowack