Smartphones als Augenspiegel retten die Sehkraft

9. Juli 2019 - Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Bonn

Kos­ten­güns­ti­ges Augen-Screening per Telemedizin von Menschen mit Diabetes in Indien

Smartphone-basierten Funduskopie in Bangalore

In Südindien ist rund jeder zehnte Mensch zuckerkrank. Etwa jeder Dritte leidet an einer so genannten diabetischen Retinopathie (DR) – einer Erkrankung der Netzhaut durch die Zucke­rer­kran­kung. Unbehandelt ist DR häufig Ursache für Seh­be­hin­de­rung und Blindheit. Viele Betroffene haben allerdings erst im Spätstadium der Erkrankung Beschwerden. Umso wichtiger ist also die Früh­er­ken­nung, um rechtzeitig ein­zu­schrei­ten. Doch für Diabetiker, die in Indien auf dem Land oder in ärmeren Bereichen der Städte leben, fehlt es an ausreichender augen­ärztlicher Versorgung. Daher hat die Augenklinik am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Bonn in Kooperation mit der Sankara Eye Foundation – Indien ein Projekt zur Einführung eines einzigartigen Smartphone-basierten, tele­me­di­zi­ni­schen DR-Screenings gestartet. Dafür haben sie im Rahmen einer Kli­nik­part­ner­schaft eine Förderung in Höhe von rund 50.000 Euro vom Bun­des­mi­nis­te­rium für wirt­schaft­li­che Entwicklung und Zusam­me­n­a­r­beit und der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung über zwei Jahre erhalten.

Die DR ist weltweit die häufigste Ursache für Erblindung im erwerbs­fä­hi­gen Alter. Millionen von Menschen drohen in Entwicklungs- und Schwel­len­län­dern dadurch eine Seh­ein­schränk­ung zu erleiden, da es an Mög­lich­kei­ten einer frühen Diagnose und Behandlung mangelt. „Bislang gibt es in Entwicklungs- und Schwel­len­län­dern allerdings oft keine Unter­su­chun­gen, um diabetische Retinopathie festzustellen“, sagt Dr. Maximilian Wintergerst, Arzt an der Augenklinik des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Bonn und Projektleiter in Deutschland. “Ein erschwing­li­ches und leicht durch­führ­ba­res Screening-Verfahren zur Früh­er­ken­nung wäre sehr hilfreich, um die auge­n­ärzt­li­che Versorgung zu verbessern“, so Prof. Robert Finger, Ko-Leiter des Projektes. Einen möglichen Ansatz sehen die Bonner Augenärzte in der Smartphone-basierten Funduskopie.

„Wir nutzen die Kamera des Smartphones, um ins Auge zu sehen“

Diese äußerst mobile und kos­ten­güns­tige Art der Augen­hinter­grund­spie­ge­lung testeten sie bereits vor zwei Jahren im Rahmen einer Pilotstudie zusammen mit der Sankara Eye Foundation in Südindien. Dort untersuchte Wintergerst zusammen mit dem Team des Sankara Eye Hospitals in Bangalore 200 Patienten mit Diabetes. Mit umgerüsteten Smartphones nahmen sie Bilder vom Augen­hin­ter­grund auf. Dazu fokussiert ein Adapter den Strahlengang der Kamera und der Beleuch­tungs­quelle so, dass die Mobiltelefone als Ophthalmoskop eingesetzt werden können. Ergebnis der Studie war, dass mit allen vier getesteten Smartphone-basierten Verfahren die Augen­hin­ter­grund- Untersuchung möglich ist. „Wir haben somit ein leicht zugängliches sowie sehr kos­ten­güns­tiges Verfahren“, sagt Dr. Wintergerst.

Ziel der zweijährigen Förderung ist die Etablierung eines tele­me­di­zi­ni­schen DR Screenings in den ärmeren Stadtvierteln von Bangalore und der ländlichen Umgebung. Der Smartphone-Augenspiegel ist schnell und einfach zusam­men­ge­baut, so dass geschultes, nicht-ärztliches Personal fernab eines medizinischen Zentrums Aufnahmen von einer Netzhaut machen kann. Ein weiterer Spareffekt entsteht dadurch, dass ein Augenarzt die vom Smartphone per Internet zu ihm ins Krankenhaus gesendeten Bilder direkt auswerten kann. So kann sofort zurück gemeldet werden, ob der Patient eine DR hat und eine Behandlung notwendig ist.

Etablierung eines Augen-Screenings per Telemedizin in Indien

Jetzt war Wintergerst für eine Woche in Indien, um am Sankara Eye Hospital in Bangalore zusammen mit Dr. Kaushik Murali und Dr. Mahesh Shanmugam, den Kol­la­bo­ra­ti­ons­part­nern vor Ort, erste Vor­be­rei­tun­gen zu treffen. Auch begann er mit der Schulung von 20 Optometristen in der Smartphone-basierten Funduskopie. „Wichtig ist uns ein nachhaltiger Wis­sen­s­trans­fer, so dass die tele­me­di­zi­ni­schen Screenings langfristig nach dem Projektende wei­ter­ge­führt werden können“, sagt Wintergerst. Zudem kommen sechs Augenärzte und Mitarbeiter des Sankara Eye Hospitals Bangalore an die Augenklinik des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Bonn. Am dortigen GRADE Reading Center Bonn führen hiesige Experten für systematisch stan­dar­di­sierte Bildanalyse die indischen Kollegen in die speziellen Anforderungen der Auswertung von mittels Smartphone aufgenommener Bilder des Augen­hinter­grunds ein. Auch vermitteln sie ihnen Knowhow für den Betrieb eines tele­me­di­zi­ni­schen Reading-Centers.

In den nächsten zwei Jahren wird Wintergerst mehrfach nach Südindien reisen, um die Schulungen am Sankara Eye Hospitals sowie die Screening-Camps zu betreuen. Für den Fall, dass alles gut funktioniert, hat er zusammen mit den Kol­la­bo­ra­ti­ons-Partner aus Indien eine große Vision: „Eine Ausweitung des tele­me­di­zi­ni­sches DR-Screening-Programmes auf weitere Kran­ken­häu­ser der Sankara Eye Foundation mit dem in Bangalore etablierten tele­me­di­zi­ni­schen Reading Center als koor­di­nie­ren­des Zentrum. Dies könnte die auge­n­ärzt­li­che Versorgung für viele Menschen mit Diabetes, insbesondere in ländlichen Gebieten mit schlechter medizinischer Infrastruktur deutlich verbessern.“ Auch sieht er das Potential, dass dieses tele­me­di­zi­ni­sche Screening-Konzept, wenn es erfolgreich ist, auf andere Schwellen- und Ent­wick­lungs­län­der übertragen werden könnte.

Bilder:

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Smartphone-basiertes, tele­me­di­zi­ni­sches Augen-Screening in Indien:

Am Sankara Eye Hospital in Bangalore schult Dr. Maximilian Wintergerst (Mitte) medizinisches Hilfspersonal in der Smartphone-basierten Funduskopie; © Augenklinik / UK Bonn https://cams.ukb.uni-bonn.de/presse/pm-171-2019/images/Tele-Screening_Indien_A.jpg

Smartphone-basiertes, tele­me­di­zi­ni­sches Augen-Screening in Indien:

Dr. Maximilian Wintergerst (Mitte) präsentiert zusammen mit den Kol­la­bo­ra­ti­ons­part­nern des Sankara Eye Hospital in Bangalore Dr. Kaushik Murali (2. v. li), Dr. Mahesh Shanmugam (2. v. re), Dr. Divyansh Mishra (1. v. re) und Dr. Payal Shah (1. v. li) den För­der­ver­trag; © Augenklinik / UK Bonn https://cams.ukb.uni-bonn.de/presse/pm-171-2019/images/Tele-Screening_Indien_B.jpg

Smartphone-basiertes, tele­me­di­zi­ni­sches Augen-Screening in Indien:

Dr. Maximilian Wintergerst (Mitte) präsentiert zusammen mit den Kol­la­bo­ra­ti­ons­part­nern des Sankara Eye Hospitals in Bangalore Dr. Kaushik Murali (2. v. re), Dr. Mahesh Shanmugam (2. v. li), Dr. Divyansh Mishra (1. v. li) und Dr. Payal Shah (1. v. re) den För­der­ver­trag; © Augenklinik / UK Bonn https://cams.ukb.uni-bonn.de/presse/pm-171-2019/images/Tele-Screening_Indien_C.jpg

Quelle: Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Bonn

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