Zelluläre Müll­ent­sor­gung: Neuer Protein-Abbau-Weg mit unerwarteter Funktion

Damit Zellen ihre Funktion erfüllen und gesund bleiben, müssen laufend neue Proteine gebildet sowie alte und fehlerhafte Proteine entfernt werden. Defekte in diesen Prozessen können zu Erkrankungen wie Neu­ro­de­ge­ne­ra­tion oder Krebs führen.

Ein Team um den Zellbiologen David Teis vom Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck konnte nun einen neuen Protein-Abbau-Weg iden­ti­fi­zie­ren, der zudem auch eine essentielle Funktion im intra­zel­lu­lä­ren Lipid­s­toff­wech­sel erfüllt. Das neue Wissen lässt nach Einschätzung der Universität potenzielle Therapie-Ansätze für den gezielten Abbau von Proteinen erwarten.

Zellen müssen ihren intra­zel­lu­lä­ren Abfall entsorgen und recyclen. Damit wird verhindert, dass sich Proteine ansammeln und Schaden anrichten. Zellen bedienen sich dafür eines aus­ge­klü­gel­ten Müll-Managements, das bestimmte Gruppen von Proteinen in unter­schied­liche Proteinabbau Systeme einschleust. Für den gezielten Abbau von Membran-Proteinen waren bisher zwei Ent­sor­gungs­wege bekannt: ERAD (ER-assoziierte Pro­te­in­de­gra­da­tion) und der ‚mul­ti­ve­si­cu­lar body‘ (MVB) Weg, der vom Pro­te­in­kom­plex ESCRT (‚endosomal sorting complexes required for transport’) gesteuert wird. „Sind diese Abbauprozesse aufgrund einer Fehlfunktion gestört, kann das zu schwer­wie­gen­den Erkrankungen von Krebs bis Neu­ro­de­ge­ne­ra­tion führen“, weiß Zellbiologe David Teis, der mit seinem Team an der Sektion für Zellbiologie des Innsbrucker Biozentrum seit vielen Jahren zum Zell­stoff­wech­sel forscht und die Funktion des ESCRT-Komplexes bereits maßgeblich aufklären konnte.

Regie­über­nahme bei der zellulären Müll­ent­sor­gung

Im Rahmen eines FWF-geförderten Projektes und in Zusam­me­n­a­r­beit mit einem inter­na­ti­o­na­len Team von Wis­sen­schaf­tern der ETH Zürich, der Universität Osnabrück und dem Research Institute of Molecular Pathology, IMP, in Wien stellte sich Erstautor Oliver Schmidt aus dem Innsbrucker Biozentrum nun die Frage, ob tatsächlich alle Protein-Abbauwege in Zellen bekannt sind oder nicht. Mit Bäckerhefe, einem Modell­or­ga­nis­mus, in dem diese hoch konservierten Abbau-Wege ebenso zu finden sind wie in humanen Zellen, entdeckte das Team tatsächlich einen neuen Abbau-Weg. „Durch die Ausschaltung des ESCRT-Systems konnten wir mit genetischen Screens erkennen, dass ein weiterer Mechanismus – EGAD (Endosome und Golgi-assoziierte Degradation) – eine zentrale Rolle im Müll­ma­na­ge­ment übernimmt“, so Schmidt. Der EGAD-Prozess benutzt eine molekulare Maschine, die unter anderem Membran-Proteine aufspürt, die verwaist sind und nicht auf den richtigen Organellen sitzen. Sind diese verwaisten Proteine einmal erkannt, sorgt EGAD dafür, dass sie für den Abbau markiert und aus der Membran der Organellen herausgelöst werden. Erst in dieser Form können sie vom Proteasom, einem zellulären Müll­zer­klei­ne­rer, abgebaut werden.

Überraschende Rolle im zellulären Lipid­s­toff­wech­sel

Unter den Proteinen, die über den EGAD-Pfad abgebaut werden, fanden sich auch viele, die im Fett­stoff­wech­sel der Zelle eine Rolle spielen. „Unsere Experimente zeigen, dass zu wenig Sphingolipide produziert werden, wenn der EGAD-Weg nicht funktioniert“, erklärt Teis. Sphingolipide sind spezielle Fettmoleküle und einer der Haupt­be­stand­teile in der Membran tierischer Zellen. Ein Mangel an Sphin­go­li­pi­den führt zu einer falschen Zusam­men­set­zung der Membranen und damit zu schweren Membran-Defekten. Die Zellen regeln die Produktion von Sphin­go­li­pi­den über die Orm-Proteine. „Orm2, ein Substrat des EGAD-Wegs, das wir im Hefe-Modell gefunden haben, kommt auch in humanen Zellen vor und wird mit der Entstehung chronisch ent­zünd­li­cher Erkrankungen in Verbindung gebracht“, so Schmidt, der sich vor diesem Hintergrund in weiteren Unter­su­chun­gen auf den Einfluss des EGAD-Pfades im Rahmen des Fett­stoff­wech­sels fokussieren will.

Der EGAD-Pfad könnte sich als viel­ver­spre­chende Angriffs­flä­che für neue the­ra­peu­ti­sche Ansätze erweisen. „Unsere Ergebnisse dürften für künftige bio­tech­no­lo­gi­sche Innovationen, also für die Entwicklung von Medikamenten relevant sein, mit denen Proteine gezielt abgebaut werden sollen. Damit könnte es gelingen, die schädliche Akkumulation von Proteinen zu korrigieren und die Behandlung von damit verbunden Erkrankungen zu ermöglichen“, schließt Teis.

Quelle: biermann-medizin.de

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