AMD: Kom­ple­mentin­hi­bi­to­ren und Gentherapie als neue Behand­lungs­stra­te­gien

Die alters­abhängige Makula­degeneration (AMD) ist eine der häufigsten Ursachen für Sehverlust und Erblindung weltweit. Der Verlauf der feuchten AMD kann medikamentös gut abgemildert werden, für die trockene Form gibt es bislang jedoch keine effektive Therapie. Neue Wirkstoffe aus der Gruppe der Kom­ple­mentin­hi­bi­to­ren geben nun Anlass zur Hoffnung für eine Behandlung der trockenen Spätform.

Welchem Wirkprinzip die neuen Substanzen folgen und wie weit ihre klinische Entwicklung gediehen ist, berichten Experten am 29. September 2022 auf der hybriden Kongress-Pres­se­kon­fe­renz der Deutschen Ophthal­molo­gischen Gesellschaft (DOG), die anlässlich ihres Jah­res­kon­gres­ses stattfindet.

Eine AMD entwickelt sich schleichend: Es dauert durch­schnitt­lich zehn Jahre, bis die Frühform der Erkrankung in die späte AMD übergeht. „In dieser späten Phase werden zwei verschiedene Krank­heits­for­men unterschieden“, erläutert Professor Dr. med. Frank Holz, Direktor der Klinik für Augen­heil­kunde am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Bonn und Vorsitzender der Stiftung Auge. „Die so genannte feuchte Form, die auf das Aussprossen feinster, undichter Blutgefäße in die Augennetzhaut zurückgeht, und die trockene Form, bei der aufgrund von Ablagerungen unter der Netzhaut die licht­emp­find­li­chen Zellen absterben.“

Seit rund 15 Jahren kann die über­schie­ßende Gefä­ß­neu­bil­dung bei der feuchten AMD mithilfe so genannter vascular endothelial growth factor (VEGF)-Inhibitoren verlangsamt werden. Diese Wirkstoffe blockieren den Wachs­tums­fak­tor VEGF, der haupt­säch­lich für das Gefä­ß­wachs­tum ver­ant­wort­lich ist. Für die trockene Form steht ein ver­gleich­ba­rer Behand­lungs­er­folg dagegen noch aus.

In den vergangenen Jahren sind jedoch die Krank­heits­me­cha­nis­men, die der trockenen AMD zugrunde liegen, immer besser verstanden worden. „Es sind mittlerweile mehrere Faktoren bekannt, die an dem komplexen Dege­ne­ra­ti­ons­pro­zess in der Netzhaut mitwirken“, sagt Holz. Hierzu zählt die übermäßige Aktivierung des so genannten Kom­ple­ment­sys­tems als Bestandteil der Immunabwehr, die die alternde, sehr stoff­wech­se­lak­tive Makula mit den chronischen Ablagerungen attackiert. Ein neues The­ra­pie­kon­zept basiert nun darauf, die Aktivität des Kom­ple­ment­sys­tems zu hemmen. Zwei der neuen, als Kom­ple­mentin­hi­bi­to­ren bezeichneten Wirkstoffe haben in Phase 2- bezie­hungs­weise Phase 3-Studien bereits viel­ver­spre­chende Ergebnisse erzielt. „Die Ausbreitung der Netz­haut­schäden konnte mit ihrer Hilfe verlangsamt werden“, berichtet Holz. „Einmal unter­ge­gan­gene Sehzellen lassen sich so jedoch nicht regenerieren“, dämpft der DOG-Experte mögliche Erwartungen. Eine Seh­ver­bes­se­rung sei daher nicht zu erzielen.

Die neuen Wirkstoffe wurden im Rahmen der klinischen Studien entweder monatlich oder einmal alle zwei Monate ins Auge gespritzt. Um diese aufwändige Behandlung zu vereinfachen, wird derzeit auch an gen­the­ra­peu­ti­schen Ansätzen zur Drosselung des Kom­ple­ment­sys­tems geforscht. „The­ra­peu­ti­sche Nukle­in­säu­ren können in einem einmaligen mikro­chir­ur­gi­schen Eingriff in das Auge eingebracht werden“, erklärt Holz. Ein ent­spre­chen­der Wirkstoff befindet sich ebenfalls bereits in der zweiten Phase der klinischen Erprobung.

Die Zulassung eines ersten Kom­ple­mentin­hi­bi­tors ist im kommenden Jahr möglich. Wenn diese Hürde genommen sei, so Holz, könne in einem nächsten Schritt auch die Anwendung in früheren AMD-Stadien geprüft werden – mög­li­cher­weise lasse sich so das Vor­an­schrei­ten der Erkrankung noch vor den ersten Sehverlusten verhindern.

Als typische Alter­s­er­kran­kung zählt die AMD zu denjenigen Krankheiten, deren Häufigkeit mit dem demo­gra­phi­schen Wandel deutlich zunimmt. Im Verlauf der Erkrankung gehen die Sehzellen in der Mitte der Augennetzhaut nach und nach zugrunde. Betroffen ist dabei haupt­säch­lich die so genannte Makula, der Bereich des schärfsten Sehens. Patientinnen und Patienten mit AMD sind daher immer weniger dazu in der Lage, bei­spiels­weise Gesichter zu erkennen oder zu lesen.

Quelle: biermann-medizin.de

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