AMD: Wie das Auge altert
Dr. Anja Schlecht erforscht, wie sich das Altern auf Immunzellen im Auge auswirkt. Für ihre Arbeit hat sie wiederholt Auszeichnungen erhalten, so nun auch den Nachwuchspreis der Anatomischen Gesellschaft.
Ihr Anfang bleibt meist unbemerkt. Erst wenn die altersbedingte Makuladegeneration deutlich fortgeschritten ist, kommen ihre typischen Symptome zum Tragen. Die Betroffenen merken dann, dass sich ihr Sehen verschlechtert: Das Bild wird zunehmend verschwommen oder verzerrt. Im Spätstadium der Krankheit sehen sie in der Mitte ihres Gesichtsfeldes nur noch einen dunklen Fleck. Lediglich ganz an den Rändern des Sehfeldes ist es ihnen möglich, etwas zu erkennen. Ihr Gegenüber zu identifizieren, Texte zu lesen: All das ist in diesem Stadium für sie nicht mehr möglich.
Die altersbedingte oder altersabhängige Makuladegeneration ist die führende Ursache für einen dauerhaften Verlust der Sehkraft bei älteren Menschen in der westlichen Welt. Potenzielle Auslöser oder zumindest wesentliche Akteure der krankhaften Veränderungen bilden einen Schwerpunkt der Forschung von Dr. Anja Schlecht. Für ihre exzellente Forschung auf dem Gebiet der altersbedingten Makuladegeneration hat die Biologin, die am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) arbeitet, jetzt den Nachwuchspreis der Anatomischen Gesellschaft erhalten.
Alternde Immunzellen treiben die Krankheit an
Ausgezeichnet wurde Schlecht für ihre in der Fachzeitschrift International Journal of Molecular Sciences publizierte Arbeit zum Thema „Immunosenescence in Choroidal Neovascularization (CNV)-Transcriptional Profiling of Naïve and CNV-Associated Retinal Myeloid Cells during Aging“. In dieser Arbeit untersucht sie, wie sich das Altern auf spezielle Immunzellen im Auge auswirkt.
„Wie mittlerweile allgemein bekannt ist, sind nicht nur Haut, Knochen und Muskeln von Alterungsprozessen betroffen, sondern auch das Immunsystem“, erklärt Anja Schlecht. Oftmals reagiere es im Alter nicht mehr so schnell oder könne Infektionen kaum noch bekämpfen, ein Phänomen, das Immunseneszenz genannt wird.
In ihrer Arbeit konnte die Nachwuchswissenschaftlerin zeigen, dass auch Immunzellen im Auge, die Mikrogliazellen, sich im Alter verändern, und dass dieser Prozess bei der altersbedingten Makuladegeneration eine Rolle zu spielen scheint. Konkret ist ihr der Nachweis gelungen, dass gealterte Mikrogliazellen bestimmte Stoffe absondern, die das Fortschreiten der Krankheit deutlich beschleunigen können. „Ebendiese Faktoren könnten langfristig als therapeutisches Ziel bei der Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration dienen“, hofft Schlecht.
Anja Schlechts Werdegang
Anja Schlecht hat an der Universität Regensburg Biologie studiert. Für ihre Promotion ging sie an das dortige Institut für Humananatomie und Embryologie und beschäftigte sich bereits zu diesem Zeitpunkt mit neovaskulären Augenerkrankungen und deren molekularen Grundlagen. Nach der Promotion wechselt sie für vier Jahre an die Universitätsaugenklinik in Freiburg im Breisgau, wo sie auch unter translationalen Gesichtspunkten vor allem die Rolle der okulären residenten Immunzellen bei neovaskulären Augenerkrankungen erforschte.
Seit Anfang 2021 arbeitet Anja Schlecht am Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Würzburg in der Arbeitsgruppe von Prof. Barbara Braunger. Auch hier ist es ihr Ziel, klinische Aspekte mit Grundlagenforschung zu verknüpfen.
Schlecht wurde für ihre Forschungsarbeiten in den vergangenen Jahren wiederholt ausgezeichnet. Für ihre mit summa cum laude bewertete Dissertation erhielt sie 2017 den Promotionspreis der Universität Regensburg, für ihre exzellente Forschung auf dem Gebiet der altersbedingten Makuladegeneration 2021 den mit 10.000 Euro dotierten „Dr. Gaide AMD Preis“.