AMD: Wie eine Adipositas die Retina auf Dauer schädigen kann
Montreal – Eine Adipositas fördert die Entwicklung entzündlicher Erkrankungen auch dann noch, wenn sich Gewicht und Stoffwechsel wieder normalisiert haben. Dies zeigen tierexperimentelle Ergebnisse zur altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) in Science (2022; DOI: 10.1126/science.abj8894).
Es ist bekannt, dass eine Adipositas zu einer chronischen Entzündungsreaktion im Körper führt, die die Entwicklung bestimmter Krankheiten fördert. Dazu zählt beispielsweise die AMD. Eine viszerale Adipositas ist nach dem Rauchen der wichtigste Risikofaktor für die Erkrankung, die in reicheren Ländern zur häufigsten Ursache für Erblindungen im Alter geworden ist.
Jede Zunahme des Taille-Hüfte-Quotienten um 10 % erhöht das Risiko auf eine fortgeschrittene AMD um 75 %. Die AMD ist häufig gekennzeichnet von einer Neubildung von Blutgefäßen in der Aderhaut. Diese choroidale Neovaskularisierung (CNV) lässt sich in der Retina auch durch Laserlicht provozieren. Bei adipösen Mäusen kommt es dabei zu stärkeren Veränderungen als bei normalgewichtigen Tieren.
Masayuki Hata von der Universität in Montreal und Mitarbeiter haben an Mäusen untersucht, ob eine Normalisierung des Gewichts späteren entzündlichen Reaktionen vorbeugen und die Betroffenen vor einer AMD schützen kann. Dazu wurden Mäuse zunächst gemästet, bis sich ihr Körpergewicht verdreifacht hatte.
Danach wurden sie normal weiter ernährt, bis sie wieder normalgewichtig waren. Obwohl bei den Mäusen keine Hinweise auf eine Stoffwechselstörung mehr bestanden, kam es nach der Laserbehandlung zu einer stärkeren CNV als in einer Kontrollgruppe von Mäusen, die niemals adipös waren. Hata schließt daraus, dass die Adipositas zu langfristigen Veränderungen im Fettgewebe geführt hat, die nach einer Gewichtsabnahme bestehen bleiben.
Ein Transplantationsexperiment bestätigte diesen Verdacht. Dabei wurde Fettgewebe von den Tieren auf eine dritte Gruppe von Mäusen übertragen. Die Tiere, die das Fettgewebe der vormals adipösen Mäuse erhalten hatten, erkrankten nach einer Laserbehandlung schwerer an einer AMD als die Nager, die das Fettgewebe von lebenslang schlanken Tieren erhalten hatten.
Die nähere Untersuchung des Fettgewebes zeigte, dass die frühere Adipositas zu einer Aktivierung der dortigen Makrophagen geführt hat. Die Zahl der proinflammatorischen Makrophagen hatte sich verdreifacht. In einem weiteren Transplantationsexperiment mit genetisch markierten Entzündungszellen konnte Hata zeigen, dass die Entzündungszellen aus dem Fettgewebe in die Retina der Mäuse wandern und dort die CNV fördern. Dies gelang auch durch eine Knochenmarktransplantation. Die Adipositas hatte demnach die Programmierung in der Produktionsstätte der Immunzellen verändert.
Hata konnte auch die Mechanismen dieser Langzeitprogrammierung ermitteln. Die Fettsäuren, die bei der Mästung der Tiere vermehrt ins Fettgewebe gelangten, haben in den Makrophagen durch epigenetische Veränderungen bestimmte proinflammatorische Gene dauerhaft aktiviert. Diese Zellen reagieren dann auf Entzündungsreize im Körper. Sie wandern in das Gewebe ein und sind dort an einer schädlichen Immunreaktion beteiligt. Im Auge kann dies dann zu einer verstärkten CNV führen.
Quelle: aerzteblatt.de