Bahnreisende mit Behinderung bleiben auf der Strecke

Berlin, 18. Februar 2019. „Es ist eine Katastrophe“, sagt Nalin Yalcin. Die Marburgerin ist blind und regelmäßig mit der Bahn unterwegs. Bis 31. Januar hat die Deutsche Bahn alle Hil­fe­leis­tun­gen für Reisende mit Mobi­li­täts­einschrän­kun­gen koordiniert, aber damit ist es nun vorbei. „Auf der Strecke zu meinen Eltern bin ich mit drei privaten Bahn­un­ter­neh­men unterwegs, die nicht mehr mit der Mobi­li­täts­ser­vice­zen­trale der Deutschen Bahn zusammen­arbeiten. Ich muss bei jedem Unternehmen einzeln anrufen, nur um mir dann anzuhören, dass die Mitarbeiter keine Ahnung haben, wie das jetzt funktionieren soll, oder mir wird schlicht gesagt, dass sie nicht für Umstiegs­hil­fen sorgen.“

Hintergrund ist ein Streit um die Finanzierung des Mobi­li­täts­ser­vice, der den privaten Eisen­bahn­un­ter­neh­men von der Deutschen Bahn bisher nicht in Rechnung gestellt wurde. Seit dem 1. Februar sollen sie nun dafür zahlen – woraufhin ein großer Teil der Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men nicht mit der DB-Mobi­li­täts­ser­vice-Zentrale zusammen­arbeiten möchte. Das Ergebnis ist ein Scher­ben­hau­fen. „Mit gerade mal drei Tagen Vorlauf wurde eine völlig unausgegorene Nicht-Regelung eingeführt, die private Eisen­bahn­un­ter­neh­men und ihre behinderten Kundinnen und Kunden glei­cher­ma­ßen überfordert“, sagt der Geschäfts­füh­rer des Deutschen Blinden- und Seh­behinderten­verbandes (DBSV), Andreas Bethke. Auch die Arbeitsgruppe, die bei der Bahn die Interessen behinderter Menschen vertritt, wurde nicht vorab informiert.

Der DBSV hat sich in den vergangenen Tagen in zahlreichen Gesprächen und Tele­fon­kon­fe­ren­zen ein Bild von der Lage gemacht und erste Schritte abgestimmt. So wurde unter anderem ein Offener Brief des Deutschen Behin­der­ten­ra­tes auf den Weg gebracht (www.deutscher-behin­der­ten­rat.de/ID228937). Der DBSV bekräftigt ausdrücklich die zentrale Forderung des Briefes an alle Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men, die Deutsche Bahn sowie die ver­ant­wort­li­chen politischen Ent­schei­dungs­trä­ger, umgehend dafür zu sorgen, dass die Koordinierung von Hil­fe­leis­tun­gen für mobi­li­täts­ein­ge­schränkte und ältere Menschen auf Bahnreisen durch einen zentralen Ansprech­part­ner für alle Bahn­un­ter­neh­men gewähr­leis­tet wird.

Weitere Gesprächs­ter­mine mit allen Akteuren stehen an. Der „Gemeinsame Fachausschuss für Umwelt und Verkehr“ beim DBSV bittet blinde und sehbehinderte Bahnreisende, ihre Erfahrungen per E-Mail an eb.toelke@t-online.de mitzuteilen.

Quelle: Deutscher Blinden- und Seh­behinderten­verband e. V., Pres­se­spre­cher Volker Lenk

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