EU-Forschungs­projekt zur alter­sabhängigen Makula­degeneration

Änderung des Lebensstils schützt vor Erblindung

Berlin, 6. August 2019 – Eine rechtzeitige Lebens­sti­l­än­de­rung kann Menschen mit hohem Risiko, an alters­abhän­giger Makula­degeneration (AMD) zu erkranken, bis ins fort­ge­schrittene Alter vor dem Verlust des Sehvermögens schützen. Das ist ein zentrales Zwi­schen­er­geb­nis des europäischen Forschungs­projekts EYE-RISK. Wer besonders gefährdet ist, wie das individuelle Risikoprofil ermittelt wird und welche drei Lebensstil-Faktoren bei der Prävention entscheidend sind, erläuterten Experten auf der heutigen Pres­se­kon­fe­renz der PRO RETINA Deutschland e.V.

Über 60 Jahre alt zu sein, ist neben der genetischen Veranlagung eines der größten Risiken für eine alters­abhängige Maku­la­ge­n­e­ra­tion (AMD), von der in Deutschland schät­zungs­weise fünf bis sechs Millionen Menschen betroffen sind. Bei der Netz­haut­erkrankung geht die zentrale Sehschärfe des Auges ganz oder teilweise verloren – AMD ist die häufigste Ursache für eine Erblindung im Alter in westlichen Ländern. Mit steigender Lebens­er­war­tung nehmen die Zahl der Betroffenen und vor allem die Zahl der Schwerst­be­trof­fe­nen stetig zu.

Während die feuchte AMD in Grenzen behandelbar ist, gibt es für die trockene AMD bislang keine wirksame Therapie. An diesem Punkt setzt das europäische Forschungs­projekt EYE-RISK an. In dem Konsortium haben sich 14 Partner aus acht EULändern zusam­men­ge­schlos­sen – darunter Kliniken, For­schungs­in­sti­tute, zwei Unternehmen und die Pati­en­ten­or­ga­ni­sa­tion PRO RETINA –, um Menschen mit einem hohen AMD-Risiko frühzeitig zu iden­ti­fi­zie­ren, die Erkrankungs-mechanismen besser zu verstehen und neue Therapien zu entwickeln.

Weltweit größte Datenbank für AMD

Zu diesem Zweck wertete EYE-RISK Daten von 60 000 Betroffenen systematisch und mit Hilfe von Com­pu­ter­si­mu­la­tion und Methoden künstlicher Intelligenz aus. „Bei dieser Datenbank handelt es sich um die derzeit weltweit größte Wis­sensres­source für AMD“, sagt Professor Dr. rer. nat. Marius Ueffing vom For­schungs­in­sti­tut für Augen­heil­kunde am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Tübingen, der das EU-Projekt koordinierte. Die Europäische Union förderte EYE-RISK, einen Verbund aus Epidemiologen, Klinikern, Genetikern, Molekular- und Zellbiologen, Com­pu­ter­wis­sen­schaft­lern, Pharmakologen und Diagnostik-Entwicklern, für die Dauer von vier Jahren mit sechs Millionen Euro.

Durch die Analyse des großen Datenpools ist es den beteiligten Forschern gelungen, vor AMD schützende Faktoren mit hoher Wirksamkeit zu iden­ti­fi­zie­ren. „Wer aufs Rauchen verzichtet, sich mediterran ernährt und täglich bewegt, kann die Chance, sein Sehvermögen trotz eines hohen genetischen Risikoprofils bis ins späte Alter zu erhalten, wesentlich verbessern“, fasst Ueffing zusammen. Die Daten zeigen, dass sich die AMD bei Menschen, die so leben, wesentlich langsamer entwickelt. „Im besten Fall kommt es dann gar nicht zur Spätform der AMD, die Betroffenen können weiterhin Auto fahren oder lesen und damit ein selb­stän­di­ges und unabhängiges Leben führen“, erklärt EYE-RISKKo­or­di­na­tor Ueffing.

Niko­tin­ver­zicht, viel Gemüse und Fisch, 6000 Schritte täglich

Konkret sollte auf dem Speiseplan wenig industriell prozessierte Nahrung, dafür viel frisches, vit­amin­rei­ches Gemüse stehen. Fisch, Olivenöl und Omega-3-Fettsäuren, wahlweise auch in Form von Fischöl-Kapseln, schützen, wenn dies über längere Zeit regel­mä­ßi­ger Bestandteil der Ernährung ist. Für die körperliche Aktivität als schützender Lebens­stil­fak­tor liegen ebenfalls konkrete Anweisungen vor. „Für einen älteren Menschen sind 5000 bis 6000 Schritte täglich emp­feh­lens­wert, also ein Spaziergang von etwa einer Stunde Dauer“, so Ueffing. Alternativ kann auch eine dem Alter und den individuellen Vor­aus­set­zun­gen entsprechende sportliche Aktivität helfen.

Besonders gefährdet, an AMD zu erkranken, sind Personen, deren enge Verwandte an der Netz­haut­erkrankung leiden. „In diesem Fall sollte man ab dem 50. Lebensjahr einmal jährlich zum Augenarzt gehen und sich auf Ablagerungen im Augen­hin­ter­grund untersuchen lassen, auf sogenannte Drusen“, rät Ueffing. Erkennt der Augenarzt solche Fett- und Pro­te­in­abla­ge­run­gen, ist der Zeitpunkt gekommen, den Lebensstil konsequent umzustellen. „Hat einmal ein Zellsterben im Auge eingesetzt, kann man den Prozess nur noch verzögern“, warnt Ueffing. Wer verzerrte Linien auf Kacheln oder auf einem leeren Blatt Rechenpapier sieht, sollte den Augenarzt am besten umgehend aufsuchen.

Individuelle Tests auf Risiko und Verlauf

EYE-RISK hat über die Prä­ven­ti­onss­tra­te­gie hinaus ein analytisches und dia­gno­s­ti­sches Panel entwickelt, das Erkran­kungs­ri­siko und Erkran­kungs­ver­lauf eines Einzelnen relativ zuverlässig voraussagen kann. „Dazu werden zunächst mehr als 40 Ein­ze­l­in­for­ma­ti­o­nen aus Alter, Lebensstil, klinischen Daten und einer Augen­un­ter­su­chung aufgenommen, in einem zweiten Schritt das genetische Risikoprofil getestet“, berichtet Ueffing. Den DNATest erbringt derzeit die nie­der­län­di­sche Universität Nijmegen auf Basis einer Blutprobe. Com­pu­ter­al­go­rith­men analysieren und bewerten schließlich alle gewonnenen Daten.

„Wir sind überzeugt, dass es gelingen kann, die Zahl der durch AMD erblindeten Menschen bis zum Jahr 2030 auf die Hälfte zu reduzieren“, sagt Ueffing. Er gehe zudem davon aus, dass in fünfzehn Jahren eine Behandlung für die trockene AMD bereitstehe. Ueffing: „Ein Zeitgewinn durch Lebens­stil­maß­nah­men ist daher ein unschätz­ba­rer Vorteil.“ Dazu müsse das jetzt gesammelte Wissen in Arztpraxen und Kliniken ankommen. Dies möchte ein zukünftiges EYE-RISK-Projekt realisieren.

„Das EYE-RISK-Projekt stellt einen Höhepunkt bisheriger Bemühungen auf europäischer Ebene dar, den Risiken und Erkran­kungs­me­cha­nis­men bei der AMD auf den Grund zu gehen“, erklärt Franz Badura, Vorsitzender der PRO RETINA Deutschland e.V. „Die gesell­schaft­li­che Bedeutung dieser Forschung ist immens.“

Mehr Informationen zum EYE-RISK Projekt:
http://www.eyerisk.eu/

Quelle: PRO RETINA Deutschland e. V., Frau Ines Nowack

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