Stammzelltransplantation zur Behandlung von Blindheit
Ein kanadisches Forscherteam hat herausgefunden, dass blinde Minischweine, denen eine aus Stammzellen hergestellte Netzhaut transplantiert wurde, Anzeichen für eine Wiederherstellung des Sehvermögens zeigten.
Millionen von Menschen auf der ganzen Welt sind von degenerativen Erkrankungen der Netzhaut betroffen. In den meisten Fällen wird der Verlust des Sehvermögens durch eine Schädigung der Makula verursacht. Derzeit gibt es keine zugelassenen Behandlungen, um die geschädigte Makula zu ersetzen. Nun hat ein Forscherteam der Université de Montréal, Montréal, Kanada, unter der Leitung von Prof. Gilbert Bernier ein Verfahren entwickelt, mit dem der Sehverlust rückgängig gemacht werden könnte. Sie transplantierten aus Stammzellen hergestellte Netzhaut in blinde Minischweine. Diese zeigten nach der Transplantation Anzeichen für eine Wiederherstellung des Sehvermögens. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung wurden im Fachjournal „Development“ veröffentlicht.
Netzhaut aus der Petrischale
Das Team von Bernier entwickelte eine Methode, um Stammzellen dazu zu bringen, Zellschichten zu bilden, die die Struktur der menschlichen Netzhaut nachahmen. Die Wissenschaftler verwendeten induzierte pluripotente Stammzellen des Menschen. Das sind unreife Zellen, die aus einer erwachsenen (reifen) Zelle umprogrammiert wurden und sich in jede Art von Zelle im Körper differenzieren können. Mit diesen Stammzellen stellten die Forscher „Netzhautblätter“ her, die mit unreifen Versionen der Zapfenphotorezeptorzellen angereichert wurden. Diese können sich im Labor zu reifen Zapfenzellen entwickeln.
Nachdem die Forscher die Netzhautblätter erfolgreich in einer Schale hergestellt hatten, transplantierten sie diese Blätter in Minischweine mit geschädigter Makula. „Um der klinischen Anwendung beim Menschen so nahe wie möglich zu kommen, haben wir uns für Minischweine entschieden. Denn ihre Augengröße kommt der des Menschen nahe und die Tiere haben in etwa das gleiche Gewicht wie Menschen. Daher konnten alle Operationen in unserer Studie von einem Netzhautchirurgen durchgeführt werden.“ erklärt Bernier
Neuronale Aktivität der Photorezeptorzellen nachgewiesen
Die Wissenschaftler konnten beobachten, dass sich die Netzhauttransplantate erfolgreich in das geschädigte Netzhautgewebe der Minischweine integrieren ließ. Zudem zeigten die Minischweine, den Forschern zufolge, Anzeichen für ein wiederhergestelltes Sehvermögen: Es bildeten sich neue neuronale Verbindungen zwischen den transplantierten Photorezeptorzellen und den Nervenzellen der Minischweine. Auch konnten die Wissenschaftler neuronale Aktivität der Photorezeptoren im transplantierten Bereich feststellen, wenn die Minischweine in einen gut beleuchteten Raum gebracht wurden.
Angesichts der dringenden Notwendigkeit, therapeutische Maßnahmen gegen den Sehkraftverlust zu entwickeln, testen Forscher auf der ganzen Welt verschiedene Methoden zur Reparatur der geschädigten Makula. „Bei einigen Ansätzen werden dissoziierte Photorezeptorzellen verwendet, bei anderen werden mikrodissektierte retinale Organoide, das heißt im Labor gezüchtete Miniorgane in einer Schale, hergestellt“, erörtert Bernier. „Im Gegensatz dazu ermöglicht unsere Methode die spontane Bildung eines flachen Netzhautgewebes, das bereits polarisiert und organisiert ist, wie in der menschlichen embryonalen Retina“. Er fügt hinzu, dass mit dieser Methode große Mengen an Netzhautgewebe für die Transplantation gewonnen werden könne.
Eine Einschränkung dieser Methode liege in der Schwierigkeit, die Platzierung und Ausrichtung der Transplantate während der Operation zu kontrollieren. Die Makula habe nur einen Durchmesser von vier mm – etwa die Länge eines Reiskorns. „Die korrekte Ausrichtung, Platzierung und Stabilisierung des Transplantats in der Netzhaut bleibt eine große chirurgische Herausforderung“, betont Bernier. Sein Team arbeite nun daran, die Erfolgsrate der Transplantation zu verbessern. Dafür validieren sie ein experimentelles Gerät für die Netzhautchirurgie, um die korrekte Ausrichtung und Implantation des Transplantats an der richtigen Stelle der Netzhauterkrankung sicherzustellen. Obwohl noch viele Herausforderungen zu bewältigen seien, zeige diese Studie das Potenzial der Transplantation von Netzhautblättern für die Behandlung degenerativer Netzhauterkrankungen.
Quelle: biermann-medizin.de