TOVIS-Studie zu teleophthalmologischer Versorgung in Seniorenheimen
Die TOVIS-Studie zeigt aktuelle Defizite in der augenheilkundlichen Versorgung älterer Menschen in Pflegeheimen auf. Als eine erste Maßnahme, um Augenleiden frühzeitig zu erkennen, wird nun eine telemedizinische Versorgung erprobt. Die Ergebnisse der Pilotstudie dienen außerdem dazu, ein innovatives Versorgungsmodell zu entwickeln. Über Details informierte Prof. Dr. Frank Holz auf einer Online-Pressekonferenz der Stiftung Auge.
In Deutschland ist augenärztliche Versorgung zwar auf höchstem Niveau flächendeckend verfügbar, doch oft nicht für Menschen in Pflege- und Seniorenheimen, erläuterte Holz, Vorsitzender der Stiftung Auge und Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn. Die Studie OVIS (Ophthalmologische Versorgung in Seniorenheimen) der Stiftung Auge habe zuletzt gezeigt, dass die augenärztliche Versorgung in Pflege- und Seniorenheimen noch dürftig sei (Ophthalmologe 2017;114:818-827). Die Versorgungsstudie war deutschlandweit die größte auf dem Gebiet der Augenheilkunde und ihre Ergebnisse zeigten: Im Schnitt lag der letzte Besuch beim Augenarzt vier Jahre zurück, wobei in der Hälfte der Fälle fehlende Mobilität der Grund war. Im Rahmen der Studie wurde bei rund der Hälfte der Studienteilnehmer eine Katarakt diagnostiziert. Bei knapp 40 Prozent wurden Zeichen einer altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) festgestellt und bei rund 21 Prozent bestand der Verdacht oder die gesicherte Diagnose eines Glaukoms. In vielen Fällen habe eine passende Brille bereits gutes Sehen und Lesen und dadurch wieder die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.
Diese Defizite seien in einem hochentwickelten Gesundheitssystem – wie in Deutschland vorhanden – nicht hinnehmbar. Die Versorgung von alten Menschen in Senioren- und Pflegeheimen müsse sich verbessern, forderte Holz. Die TOVIS-Studie diene als Erprobung einer ersten Maßnahme.
Teleophthalmologischer Ansatz – TOVIS-Studie
Die Telemedizinische Ophthalmologische Versorgung In Seniorenheimen (TOVIS) dient dazu, ein neues, innovatives Versorgungsmodell zu entwickeln. Es handelt sich dabei um eine teleophthalmologische Shared-Eye-Care-Pilotstudie mit knapp 140 Senioren in drei Einrichtungen in und um Bonn. Shared Eye Care bedeutet: Nicht ärztliche medizinische Fachangestellte und Optometristen untersuchen die Seniorinnen und Senioren vor Ort, die Augenärztinnen und Augenärzte der Uniklinik Bonn stellen dann telemedizinisch aus der Ferne einen Befund. Hier habe als Proof of Concept gezeigt werden können, dass dieser Ansatz praktikabel, effizient und einfach durchführbar sei. Des Weiteren konnte das in der OVIS-Studie und der Studie zur ärztlichen Versorgung in Pflegeheimen (SÄVIP) aufgezeigte Diagnostik- und Therapiedefizit erneut verifiziert werden.
Die Ergebnisse der TOVIS-Pilotstudie zeigten, dass ein telemedizinischer Shared-Eye-Care-Ansatz Teil einer mehrstufigen neuen Versorgungsform sein könne, um die ophthalmologische Versorgung in Senioreneinrichtungen zu verbessern. Insbesondere Bewohner mit eingeschränkter Mobilität könnten von einem Shared-Eye-Care-Versorgungsansatz profitieren, der eine patientennahe Routineuntersuchung und telemedizinischen Zugang zu fachärztlicher Expertise ermögliche. Die praktikable und relativ einfache Durchführbarkeit dieser Untersuchungen sollte es in Zukunft ermöglichen, behandlungsbedürftige Patienten frühzeitig einer notwendigen augenärztlichen Therapie zuzuführen, um irreversible Seheinschränkungen zu vermeiden, erläuterte Holz.
Basierend auf der TOVIS-Studie sei ein Antrag beim Innovationsfond gestellt worden, um den Ansatz als neue Versorgungsform in einer großen Kohorte zu untersuchen, den positiven Versorgungseffekt weitergehend zu analysieren und gesundheitsökonomisch zu betrachten.
In Zukunft seien für ein funktionierendes Versorgungsmodell zudem eine Reihe von Maßnahmen erforderlich:
Standardisierte Dokumentation
Der Hausarzt sollte dem Patienten vor dem Einzug in eine Alten- oder Pflegeeinrichtung eine Kopie des letzten augenärztlichen Berichts an die Einrichtung mitsenden. Idealerweise sollte er in einem Arztbrief gut verständliche Empfehlungen für die weitere augenheilkundliche Versorgung definieren, einen Behandlungsplan mitgeben und festhalten, in welchen Intervallen weitere Kontrollen stattzufinden haben.
Thema Auge in der Pflegeausbildung stärken
Das Pflegepersonal bemerkt Veränderungen im Verhalten der Senioren meist zuerst. Aber nur mit spezifischem Hintergrundwissen könnten die Mitarbeiter diese richtig deuten. Hier brauche es sensibilisiertes Pflegepersonal mit entsprechender Unterstützung. Die Stiftung Auge fordert daher, den Themenbereich Auge und Sehen ausführlicher als bisher mit in den Lehrplan der Pflegeausbildung und in entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen aufzunehmen.
Transport zum Augenarzt
Pflegeeinrichtungen müssten auch die Begleitung der Pflegebedürftigen zum Arzt sicherstellen, wenn ein Arztbesuch unabdingbar sei und vor allem wenn Angehörige dies nicht leisten könnten. Orientiert an Modellversuchen sollten Kostenträger ein einheitliches Konzept entwickeln, um ggf. auch kostengünstige Gruppentransporte umzusetzen.
Zertifizierung der Pflege- und Senioreneinrichtung
Als Anreiz für die Beachtung des Themas Sehen in Pflegeeinrichtungen könnte eine Zertifizierung zur sehbehindertenfreundlichen Pflege- und Senioreneinrichtung dienen. Dieses Zertifikat könnte bescheinigen, dass die Einrichtung sich sowohl im pflegerischen Bereich als auch hinsichtlich der Barrierefreiheit mit dem Thema befasse. Die Stiftung Auge empfiehlt daher, ein solches Zertifikat durch Ausarbeitung passender Kriterien zu entwickeln.
Quelle: Concept Ophthalmologie
Sehen Sie zu diesem Thema auch den Film des DBSV: https://www.youtube.com/watch?v=u9fIRnyVOg8