Warten auf EMA-Neubewertung von Pegcetacoplan

Während die neovaskuläre AMD seit mehr als 15 Jahren erfolgreich mit VEGF-Inhibitoren behandelt werden kann, gab es bis vor kurzem keinerlei The­ra­pie­mög­lich­kei­ten für die geographische Atrophie. Zahlreiche Ansätze sind bisher gescheitert. Doch es gibt neue Hoffnung für Betroffene, berichtete Prof. Frank G. Holz, Direktor der Uni­ver­si­täts­au­gen­kli­nik Bonn, anlässlich der AAD-Pres­se­kon­fe­renz.

Basierend auf positiven Phase-III-Ergebnissen aus ran­do­mi­sier­ten pla­ce­bo­kon­trol­lier­ten Studien, so hieß es, seien zwi­schen­zeit­lich die beiden Kom­ple­mentin­hi­bi­to­ren Pegcetacoplan und Avacincaptad Pegol in den USA von der Food and Drug Admi­nis­tra­tion (FDA) zugelassen worden. Die Ergebnisse der zulas­sungs­re­le­van­ten Studien wurden in „Lancet“ publiziert [1,2].
In der Zwischenzeit hat der Ausschuss für Humana­rz­nei­mit­tel der Europäischen Arz­nei­mit­te­l­agen­tur (EMA) zunächst keine Zulas­sungs­emp­feh­lung für Pegcetacoplan ausgesprochen (wir berichteten). Aktuell soll nochmals eine Neubewertung stattfinden. Das Ergebnis dieser Re-Evaluation, so Holz, sei Ende April zu erwarten.

Eine Nicht­zu­las­sung würde bedeuten, dass Patienten mit geo­gra­phi­scher Atrophie im Rahmen der AMD – anders als Patienten in den USA – keinen Zugang zu einer Therapie hätten. Alternativen stünden bislang nicht zur Verfügung. Dabei könnten vor allen Dingen Patienten profitieren, bei denen die foveale Sehschärfe noch nicht betroffen sei, erläuterte Holz und unterstrich die Bedeutung einer genauen Pati­en­ten­s­e­lek­tion.
Eine Re-Evaluation seitens der EMA sei in der Hoffnung auf eine positive Bewertung zu begrüßen. Hierbei käme auch eine konditionale Zulassung infrage mit der Einforderung weiterer prospektiver Studien bezüglich der funktionellen Parameter.'

Funktionelle Messverfahren

Mit Blick auf die Zulas­sungs­stu­dien erläuterte Holz, der primäre Endpunkt sei die Verlangsamung der Wachs­tums­ge­schwin­dig­keit der geo­gra­phi­schen Atrophie mit der Zeit gewesen. Hier seien „signifikante The­ra­pie­ef­fekte“ nachgewiesen worden, unterstrich Holz. Bezüglich der sekundären funktionellen Punkte sei keine Überlegenheit der Behandlung gegenüber der Kon­troll­gruppe gefunden worden. Allerdings erscheine der Endpunkt der best­kor­ri­gier­ten zentralen Sehschärfe bei dieser Mani­fes­ta­ti­ons­form der AMD eher ungeeignet im Gegensatz zu den Anti-VEGF-Studien bei neo­vas­ku­lä­rer AMD. In Posthoc-Analysen hätten The­ra­pie­ef­fekte für Pegcetacoplan auch bezüglich der Netz­haut­funk­tion gezeigt werden können, so bei­spiels­weise durch Mikro­pe­ri­me­trie-Unter­su­chun­gen im Randbereich der geo­gra­phi­schen Atrophie – also in jenen Netz­hauta­re­a­len, die bei Progression der Erkrankung als nächstes betroffen sein würden.
Zum Zeitpunkt der Konzipierung der Phase-III-Studie hätten noch keine adäquaten funktionellen Messverfahren zur Verfügung gestanden. Zwar seien Unter­su­chun­gen mit der fun­dus­kon­trol­lier­ten Perimetrie (Mikro­pe­ri­me­trie) durchgeführt worden, doch erst mit weiteren Entwicklungen hätten durch Initiierung der Studien Messverfahren entwickelt werden können, die eine deutlich höhere Aussicht besitzen würden, auch Funk­ti­ons­vor­teile der Therapie zu erfassen.

Aktuelle Ver­sor­gungs­lage

Die aktuelle Ver­sor­gungs­lage für Patienten mit geo­gra­phi­scher Atrophie beinhalte lediglich reha­bi­li­ta­tive Maßnahmen mit ver­grö­ßern­den Sehhilfen, erklärte Holz. Diese sollten immer optimal angepasst und verordnet werden, auch weil hierdurch unter anderem die Lese­fä­hig­keit oftmals verbessert werden könne.
Der Krank­heits­pro­zess der geo­gra­phi­schen Atrophie ist im natürlichen Verlauf immer progredient: Ähnlich dem Dominoeffekt, so hieß es, ver­grö­ßer­ten sich die betroffenen Netz­hauta­re­ale nach und nach. Die Konsequenzen für die Betroffenen seien weitreichend, bei­spiels­weise gehe die Fähigkeit zur Gesichts­er­ken­nung verloren. Gleichzeitig seien das Sturzrisiko und das Risiko für Depressionen erhöht. Auch werde das Führen eines Pkw unmöglich. Insgesamt sei eine erhebliche Ein­schrän­kung der Lebens­qua­li­tät mit der Erkrankung verbunden.
Die Anzahl der von geo­gra­phi­scher Atrophie Betroffenen werde parallel zu den demo­gra­phi­schen Entwicklungen in Deutschland weiter erheblich zunehmen, machte Holz abschließend nochmals auf die Bedeutung einer zugelassenen Therapie aufmerksam.

Literatur:

  1. Heier JS, Lad EM, Holz FG, Rosenfeld PJ, Guymer RH, Boyer D, Grossi F, Baumal CR, Korobelnik JF, Slakter JS, Waheed NK, Metlapally R, Pearce I, Steinle N, Francone AA, Hu A, Lally DR, Deschatelets P, Francois C, Bliss C, Staurenghi G, Monés J, Singh RP, Ribeiro R, Wykoff CC; OAKS and DERBY study investigators. Lancet 2023 Oct 21;402(10411):1434-1448. doi: 10.1016/S0140-6736(23)01520-9. PMID: 37865470 
    Pegcetacoplan for the treatment of geographic atrophy secondary to age-related macular degeneration (OAKS and DERBY): two multicentre, randomised, double-masked, sham-controlled, phase 3 trials.
  2. Khanani AM, Patel SS, Staurenghi G, Tadayoni R, Danzig CJ, Eichenbaum DA, Hsu J, Wykoff CC, Heier JS, Lally DR, Monés J, Nielsen JS, Sheth VS, Kaiser PK, Clark J, Zhu L, Patel H, Tang J, Desai D, Jaffe GJ; GATHER2 trial investigators. Lancet 2023 Oct 21;402(10411):1449-1458. doi: 10.1016/S0140-6736(23)01583-0. Epub 2023 Sep 8.PMID: 37696275
    Efficacy and safety of avacincaptad pegol in patients with geographic atrophy (GATHER2): 12-month results from a randomised, double-masked, phase 3 trial.

Quelle: biermann-medizin.de

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